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Karoline Eberhardt

rebird yourself –
Zu den Arbeiten Elisabeth Wedenigs

Elisabeth Wedenig gibt sich in ihren Arbeiten ganz der Malerei hin, wenn auch nicht ausschließlich. Doch in der Betrachtung der Bilder versunken, drängt sich einem fast die Frage auf: Gibt es denn noch etwas anderes als Malerei? Wie selbstverständlich Farben, Formen und Linien sich auf der Leinwand zu einem komplexen Ganzen zusammenfügen. Braucht es denn noch etwas anderes als die Malerei? Für den Moment nicht. Für den Moment genügt das Eintauchen in diese fremde Welt, die doch nicht so fremd ist, wie sie anfangs scheint. Wenn man über die Arbeiten Elisabeth Wedenigs spricht, läuft man Gefahr, ins Träumen und Schwärmen zu geraten. In jedem Fall überzeugen die Bilder durch die sichere Linie, die spannende Farbgebung und die Vielfalt der Sujets.


Die 1980 in St. Veit/Glan geborene Künstlerin zählt zu einer jungen Generation der österreichischen Kunst, die ihren Schwerpunkt auf die figurative Malerei legt. Ein Blick auf ihr bisheriges Œuvre offenbart ein großes Interesse am Grafischen. Die Zeichnung kommt in vielen Fällen einem Ausgangspunkt gleich – wie eine visuelle Notiz beim Reisen und Träumen. Doch sind ihre Zeichnungen weit mehr als das, viel zu sicher und geübt ist der Strich. Alles ist an seinem Platz. Die Entscheidung, zu Pinsel und Farbe zu greifen, scheint dennoch eine logische Konsequenz zu sein. Die Vorgehensweise erinnert an eine Collage, die einzelnen Elemente finden auf großen Leinwänden zusammen. Große Leinwände – große Flächen bieten mehr Möglichkeiten, aber vor allem bedeuten sie weniger Eingrenzung. Natürlichkeit und Offenheit charakterisieren sowohl die Arbeitsweise als auch die Arbeiten der Künstlerin.


Selten ist ein Bild von Anfang an zu Ende gedacht. Einzelne Elemente verdichten sich nach und nach während des malerischen Prozesses, bei dem auch der Zufall eine Rolle spielt, zu einer Komposition. Dieser Prozess kann durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen, die sich die Künstlerin dafür nimmt.


Das Sammeln bzw. Entdecken von Gegenständen und Eindrücken liefert die Basis für die Arbeiten Elisabeth Wedenigs. Alte Fotografien, gefundene Gegenstände, Reiseeindrücke, Traumerinnerungen und kunsthistorische Zitate werden von der Künstlerin geschickt miteinander verwoben. Die Art und Weise der Kombination ist dabei oftmals rätselhaft, der Betrachter sucht nach einer möglichen Erzählung. In ihren Arbeiten verschwimmen Realität und Imagination. Menschen, Tiere, Pflanzen – zum Teil in ungewöhnlichen, an mythische Fabelwesen erinnernden Mischformen – tauchen auf. Was ist wahr – was ist Fiktion oder Traum? Farbige Flächen ergänzen die Komposition, Räume werden angedeutet. Die zentralperspektivisch verzerrten Farbflächen teilen die Erzählung, ermöglichen den Wechsel unterschiedlicher Bildebenen. Die Titel der Arbeiten zeugen von genauso viel Phantasie wie die Bilder selbst. Für Elisabeth Wedenig bietet sich so die Möglichkeit, zusätzliche Bedeutungsebenen hinzuzufügen.


Die frühesten gezeigten Arbeiten gehören der Werkgruppe Evening over Rooftops an, deren Titel einem Song der „Edgar Broughton Band“ entlehnt ist. Die 2011 entstandenen Bilder charakterisieren kräftige, in großzügigen Pinselstrichen aufgetragene Farben. Auch die für die Künstlerin typischen rätselhaften Raumsituationen sind immer wieder zu finden. Der hellrosa Vorhang in der Arbeit From a window in the wall gibt den Blick auf ein Bild im Bild frei – im Dunkel unterschiedlicher Blautöne taucht der Ausschnitt eines hellrosa Hauses auf. In dem Werk Was the light to write some thoughts by offenbart sich ein Schlüsselmoment der gesamten Werkgruppe. Der Gegenstand in der Hand der jungen Frau streut Kaleidoskop artig Farben über das Bild. Die Arbeiten sind über die Strahlen eines Kaleidoskops miteinander verbunden.


Einem Traum entsprungen ist das fliegende Känguru in der 2006 begonnenen Arbeit Busreise mit einem fliegenden Känguru. Nicht selten sind es Träume, die zum Anlass und Auslöser für ein bestimmtes Motiv werden. Wobei der scheinbar unbeschwerte und natürliche Umgang mit den eigenen Erinnerungen charakteristisch für die Arbeiten Elisabeth Wedenigs ist.


Die Balletttänzerin wagt einen Tanz mit dem Raumfahrer – gegensätzlicher könnte das Paar in Blumen gegen die Schwerkraft nicht sein. Doch vielleicht verbindet die beiden mehr als man auf den ersten Blick ahnt – der Wunsch, schwerelos zu sein. Die Fassade der Wiener Staatsoper ist zweifelsohne die Heimat der Tänzerin. Die Science-Fiction-Versatzstücke im Hintergrund stammen aus Stanley Kubricks Klassiker „2001: A Space Odyssee“. Schon entpuppt sich die elegante Frau als genauso rätselhaft wie ihre Umgebung. Verbirgt sich unter ihrem Helm das Gesicht eines Mannes oder das einer Frau – ist das noch ein Teil von ihr oder verweist es schon längst auf etwas ganz anderes?

Auffallend sind die Blumen im Vordergrund vieler Bilder, die den Motiven Bodenhaftung verleihen – oder zu weiteren Interpretationen veranlassen.


In der Werkgruppe Schimpansomant taucht das Motiv des Kristalls immer wieder auf. Die Wortkreationbezieht sich auf phantastische Wesen, die ihre Magie durch Edelsteine fokussieren. Ob der Hasenmensch in Hasengeometrie tatsächlich seine Kräfte bündelt, bleibt ungewiss. Stattdessen tauchen zwei weitere Hasen auf, die für Rätsel sorgen. Der Hase als Symbol für körperliche Liebe, Fruchtbarkeit – für Geburt und Wiedergeburt, um mit Joseph Beuys zu sein.


Auch wenn man meint, die ungewöhnlichen Motive bereits zu kennen, schafft es Elisabeth Wedenig doch wieder, mit neuen Sujets zu überraschen. Eine junge Frau klammert sich an den Tentakeln einer Qualle fest, um mit ihr into the blue zu schweben. Die Vermutung ist richtig, eine Traumerinnerung hat die Künstlerin zu diesem Bild veranlasst. Auch wenn sie kein richtiges Tagebuch über ihre Träume führt, versucht sie mithilfe von Notizen oder Skizzen die Erinnerungen zu bewahren.


In vielen Arbeiten finden sich unklare Raumsituationen oder zentralperspektivisch verzerrte Raumflächen. In den beiden Bildern inside out und broken shadow wird der Raum selbst zum Thema. Aus der Dunkelheit des Raumes führt der Blick nach draußen. Ein strahlend blauer Himmel und exotische Pflanzen lassen eine weiter südlich liegende Umgebung vermuten. Oft sind es auch einzelne Figuren oder Stoffe, die an ferne Länder erinnern. Das Reisen ist, wie das Träumen, für Elisabeth Wedenig eine wichtige Basis. Reisen, Träumen, Suchen, Finden sind wesentliche Begriffe um sich ihren Arbeiten zu nähern.


Der Blick von drinnen nach draußen bestimmt auch die Komposition in late night bird. Das Geheimnisvolle, das in vielen der Bilder vorhanden ist, wird hier besonders deutlich spürbar. Welche Rolle spielt der Vogel? Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Die Arbeiten der Künstlerin werfen stets viele Fragen auf. Auch die Arbeit birdhouse scheint Teil einer Erzählung zu sein, die sich vielleicht über mehrere Bilder fortsetzt.


In den neuesten Bildern offenbart sich die Begeisterung von Elisabeth Wedenig für Farben, Formen und Größen der verschiedenen Vogelarten. Auf die Frage nach dem Grund dafür, verweist die Künstlerin vor allem auf die Vielfalt dieser Tiere. Und tatsächlich sind in den Bildern die unterschiedlichen Muster und Farben ein zentrales Element. Vielleicht erweckt auch die Fähigkeit der Vögel zu Fliegen das Interesse der Künstlerin – wird damit doch ein bekanntes Motiv ihrer Arbeiten wieder aufgegriffen. Der Titel collecting birds verweist sehr spielerisch auch auf die Tatsache, dass man in Anbetracht der Artenvielfalt ganz von selbst zum Sammler wird. Als Sammlerin im besten Sinn kann man auch die Künstlerin bezeichnen – die Erinnerungen müssen ja schließlich irgendwie und irgendwo gesammelt werden. Die Kulisse in collecting birds zeigt sehr schön, wie Elisabeth Wedenig mit den gesammelten Eindrücken umgeht. Der Versuch der Quattrocento-Malerei, Raum perspektivisch zu gestalten, fasziniert die Künstlerin. Sie zitiert für „ihren Raum“ ein Werk Masolinos aus der Cappella die Santa Caterina in San Clemente in Rom. Die Gesten der beiden Frauen verraten, dass sie tatsächlich Vögel sammeln – eine schöne und absurde Vorstellung zugleich. Wieder sucht der Betrachter nach einer Erzählung, vermutet eine Fortsetzung von birdhouse oder eine Vorgeschichte?


Der Katalogtitel rebird yourself steht in deutlichem Zusammenhang mit den jüngsten Arbeiten Elisabeth Wedenigs. Der Titel sorgt für Verwirrung – ein Wort, das es so nicht gibt. Ein Fehler. Nein. Ein Wortspiel, das viele Interpretationen zulässt. Die Nähe zu Wörtern wie rebirth oder rebuild fällt auf und damit verbundene Assoziationen spielen vielleicht eine Rolle. So kann der Katalogtitel als Aufforderung zur Erneuerung verstanden werden. Wie die Arbeiten Elisabeth Wedenigs, sind auch die Titel nie eindeutige Zuschreibungen, der Zauber des Geheimnisvollen wird konsequent am Leben erhalten.

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